Glauben
Artikel
<< zurück


Bindungslosigkeit als gesellschaftliches Phänomen

Einstieg

Müsste man eine Vokabel wählen, die den Trend in der bundesrepublikanischen Gesellschaft zu Beginn des neuen Jahrtausends treffend bezeichnet, so wäre dies sicherlich die der „Bin-dungslosigkeit“. Bindungen bedeuten, Verantwortung für sich und andere zu übernehmen. Diese Bürde will kaum jemand mehr auf sich nehmen. In sämtlichen Bereichen menschlichen Zusammenlebens ist dies nun zu beobachten.

Familien und Fragen des Umfelds

Familien zerfallen, existieren nur noch im Mindestbestand „Vater/Mutter + Kind“. Die Folgen sind augenfällig. Die Kinder lernen vielfach nicht mehr Vater und Mutter als wichtige Bezugspersonen kennen, sondern sind zumeist nur noch auf den vorwiegend weiblichen Elternteil beschränkt! Damit nicht genug. Unterstützt wird diese Erscheinung noch durch den Umstand der Konzentration auf Bezugspersonen, die in aller Regel in den ersten 10 Jahren eines Lebens Frauen sind. Erzieherinnen in Kindertagesstätten und Lehrerinnen in der Grundschule mögen genügen. Väter oder andere männliche Orientierungsfiguren erscheinen nicht bzw. nur sehr vereinzelt. Jungen suchen daher über Medien vermittelte zumeist brutale männliche Iden-tifikationsfiguren wie Actionhelden oder ähnliches.

Bindungen werden abgelehnt

Kirchen, Gewerkschaften, Parteien, Vereine und weitere Dachverbände beklagen schon seit Jahrzehnten Mitgliederschwund, der seinen Höhepunkt noch nicht erreicht zu haben scheint. Zudem werden Menschen den großen Organisationen gegenüber immer misstrauischer. „Werden meine Interessen von einer Gewerkschaft richtig vertreten?“, so heißt es!

Die Kirchen haben es mit einem besonderen Phänomen zu tun. Pfarrer und Pfarrerinnen gehö-ren nach wie vor zu den Berufsgruppen, die ein hohes Ansehen in der Bevölkerung genießen, der Institution „Kirche“ hingegen fällt es schwer, überzeugende Öffentlichkeitsarbeit zu leis-ten. Eine Bindung zum vor Ort tätigen Pfarrer, dessen Arbeit sicht- und greifbar ist, wird be-jaht. Der großen „Einrichtung“ Kirche begegnen die Bürger mit einer gewissen Skepsis.

Politiker und deren Parteien klagen aber nicht nur über Mitgliederschwund, sondern auch über geringe Wahlbeteiligungen. Kein neues Phänomen ist die offene Kritik an dieser Personen-gruppe, die nach unserem Demokratieverständnis eigentlich gar keine Berufsgemeinschaft sein dürfte, sondern eine gewählte Vereinigung von Bürgern, die durch unser Votum unsere Interessen vertritt.

Auch Sportvereine stecken in einer Krise. Männer uns Frauen suchen eher die Betätigung in unverbindlichen Fitnessstudios und Gymnastikkursen der Volkshochschule, meiden die An-gebote der Clubs. Vereine bedeuten Verpflichtung und diesen will man aus dem Weg gehen. In Studios wird bewusst ein höherer Beitrag in Kauf genommen.

These

Solange dem Phänomen nicht konsequent entgegen getreten wird, kann unsere Gesellschaft nicht gesunden und wieder gemeinschaftliche Ideale entwickeln.

Erko Sturm

^top